Was haben sich die Jungs eigentlich einfallen lassen, dem neuen Ford Mustang einen Vierzylinder unter die Haube zu pflanzen? Erst traute man seinen Augen nicht, doch schließlich will man sich den Test beider Fabrikate aber doch nicht nehmen lassen. Man kommt aber schnell zur der Erkenntnis: Wir reden hier von zwei völlig verschiedenen Autos.
Pfeifton vs. Lifestyle-Gebrüll: Wie authentisch bleibt der Ford Mustang?
Irgendwie hat ja jeder im Leben eine zweite Chance verdient. Will man dem Ford Mustang mit aufgebohrtem 2.3-Liter-R4-Turbo seinen Namen eigentlich nicht gönnen, so ist die Neugier doch hinreichend groß für eine Testfahrt. Ein gekonnter Schwung in die nicht gerade unbequemen, sportlich geformten und voll elektrischen Sitze, der Druck auf den Engine-Start-Button und schließlich folgt – nichts. Wo ist der Dirigent hin, der sonst immer den Ton angab? Man vernimmt vom Fahrersitz aus ein sonores Brummen, das nicht einmal Eindruck zu schinden versucht. Doch der Schein trügt: Seine exakt 317 Pferde und 432 Nm stellt der Ford Mustang VI mit reichlich Understatement bereit, die durchaus ihren Weg auf den Asphalt finden. Ein Turboloch ist kaum zu vernehmen, stattdessen pfeift das Pony fröhlich aus beiden Öffnungen am Heck und legt einen Kavalierstart binnen 5,9 Sekunden hin.
Wüsste man es nicht besser, würde man bei dem ganzen Gepfeife glatt einen Turbodiesel unter der Frontpartie vermuten. Doch was im Antritt aus dem Drehzahlkeller gut funktioniert, klappt bei stattlicher Drehzahl fast noch besser: Der aufgeladene Ford Mustang VI lässt auch zwischen 4.000 und 5.000 Touren keinerlei Müdigkeit aufkommen und strotzt nur so vor Kondition. Wer ein flinkes Gefährt sucht, aber nicht unbedingt lautstark auffallen möchte, ist mit dem kleinen Triebwerk gar nicht mal schlecht bedient. Für etwas mehr Lebensgefühl ist die Convertible-Version zu empfehlen, mit der auch bei höherem Tempo die befürchteten Ohrenschmerzen ausbleiben. Wer es zudem richtig sportlich mag, stellt die Lenkung in den Sport-Modus. Die mittlerweile nicht mehr starre Hinterachse profitiert neben Antrieb und Dämpfung vom Fahrmodus Sport+. Wer sich mit dem normalen Setup zufrieden gibt, erlebt in Kurven und bei starker Bremsung gelegentlich ein Zittern des Hecks.
Das GT-Monstrum trägt ein neuen V8
Der Abgang des Vierzylinders gestaltet sich akustisch sanft, aber nicht minder rasant. Für eine wirklich anspruchsvolle Kurvenhatz ist der Ford Mustang VI zwar generell nicht die erste Wahl, doch ein sportiv angehauchtes Cruisen mit zwischenzeitlichem Überholmanöver scheint dem Amerikaner mehr als willkommen, seine vierzylindrigen Muskeln spielen zu lassen. Der Spaßfaktor leidet unter der neumodischen Downsizingstrategie eigentlich herzlich wenig, es ist vielmehr der langlebig vermittelte Soundfaktor, den die potenzielle Mustang-Kundschaft an Generation sechs vermissen darf. Wo kein GT drauf steht, ist eben auch kein GT drin. Punkt. Es sei denn, man nimmt ein paar Tausender mehr in die Hand (insgesamt so ungefähr vierzig) und erfüllt sich den Traum aller Träume: Einen Ford Mustang GT mit zündendem V8-Triebwerk und dem Gefühl purer Nostalgie.
Die Recaro-Sitzschalen sind zwar deutlich steifer als bei der grundsoliden Europa-Downsizing-Version, dafür kommt hierbei ein gänzlich anderes Fahrgefühl auf. Das Anlassen des Motors wäre eigentlich Grund genug, dem wahren Ford Mustang VI die uneingeschränkte Ehre zu erweisen, doch es kommt noch besser: Mit 421 PS und 530 Nm ist die GT-Version nicht eklatant schneller gegenüber ihrem Nachwuchs, die Drehmomententfaltung jedoch erstreckt über einen leidenschaftlichen Drehzahlbereich, dass Freudentränen Hochkonjunktur haben. Mit anderen Worten: Besser kann man ein solches Fastback Coupé eigentlich nicht auf die Beine stellen. Die gefühlte Power aus dem Heck wirkt schier unermesslich, sodass man auf Wunsch in nur 4,9 Sekunden Tempo 100 erreicht. Nostalgisch dekorierte Interieurelemente schmücken die B-Note gekonnt aus und die Brembo-Anlage lässt sich mit nur wenig Druck aufs Bremspedal wunderbar bedienen. Zudem lassen sich Bremse und Gas überaus komfortabel dosieren, die Kupplung ist getriebebedingt allerdings etwas strammer ausgelegt.
Zwei Autos aus gleichem Holz? Keineswegs.
So herrlich wie der Ford Mustang GT auf seinen vier Pneus dasteht, so genial wirkt die neue Generation dieses legendären Fabrikats in Bewegung. Eine Spritztour über die Autobahn haben wir uns zwar verkniffen, doch die oberbergische Region hat uns dafür umso mehr belohnt. Wenn das Musclecar ein Zuhause haben sollte, ist es definitiv die Landstraße. Kein zäher Stadtverkehr, kein Topspeed-umkämpfter Highway und keine Rennstrecke der Welt verleiht den urtypischen Mustang-Genen ein authentischeres Gesicht als ein abwechslungsreicher Ausflug durch die Hügel – samt aller Schikanen versteht sich. Quietschende Reifen beim Abbiegen, wohldosierte Bremskraft vor der nächsten Kehre und ein maximales Drehzahlband bei der imposanten Flucht vor erstaunten Bikern sind Fahrspaßgaranten. Zudem schafft der Mustang durch eine gute Front-Heck-Balance, die nicht übermäßig hart abgestimmten Dämpfer sorgen im „Sport+“-Modus für eine beinahe wankfreie Kurvenfahrt.
Äußeres Design? Wohl gelungen, wenn auch nicht kriegsentscheidend. Interieur? Geschmackvoll, auch wenn die Bedienung der Multimediawelt etwas trivialer ausfallen darf. Kofferraum? Braucht man nicht. Platz im Fond? Unwichtig. Motoreffizienz? Doch bitte nicht im Ford Mustang VI. So spritzig wie der Hubraum-dominierte V8 aus dem Keller kommt, kann beinahe jeder Turbo das Weite suchen. Besonders die Antrittsstärke lässt den Achtender in bestem Licht dastehen, von der Trägheit der alten 6.2-Liter-Maschinen kann keine Rede mehr sein. Gut gemacht, Ford!
Wer den ultimativen Lifestyle-Begleiter und ein klar authentisches Coupé sucht, kommt am Ford Mustang GT keineswegs vorbei. Bei Alltagsjüngern ist jedoch Vorsicht geboten: Mit 15 Litern Verbrauch bereitet der Ami nicht jedem Individuum gute Laune, der Vierzylinder ist somit als gute Kompromisslösung zu sehen, die auch für den regelmäßigen Weg zur Arbeitsstätte taugt.
Dieser Artikel ist zuerst im Blog von tuning-stories.de erschienen.
Fotos: P. Hünteler
Datum der Erstveröffentlichung: 10.09.2015